Eine unsichtbare Bedrohung: Wie engagierte Pionier*innen für unser Recht auf saubere Raumluft kämpfen

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Fürth, 25. Oktober 2025 – Stellen Sie sich vor, etwas Bedrohliches ist ständig um Sie herum, unsichtbar und geruchlos, aber es macht Sie und Ihre Kinder krank. So beschreibt Irène Kostenas, Public Affairs Managerin für den Schweizerischen Verein für Luft- und Wasserhygiene (SVLW) und das Geneva Health Forum, die Situation der Raumluftqualität: ein dringendes, aber oft ignoriertes Problem der öffentlichen Gesundheit.

Anlässlich eines Online-Vortrags begrüßte die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Lufthygiene (DAGL) die Schweizerin Kostenas, die seit 2020 unermüdlich daran arbeitet, Menschen weltweit zu vernetzen und Fortschritte in der Lufthygiene zu erzielen. In ihrem Vortrag betonte sie, dass es hierbei nicht nur um luftübertragene Infektionserkrankungen wie COVID oder Grippe geht, sondern auch um die präventive Abwehr von Schimmel und Allergien.

Langer Atem in der Schweiz: Ein Paradigmenwechsel der Übertragungswege

Der Weg zur Anerkennung der Raumluft als Problem der öffentlichen Gesundheit ist in der Schweiz ein politischer Marathon. Während der COVID-Pandemie gab es die höchste Anzahl politischer Vorstösse für gesunde Raumluft im Parlament, doch diese wurden alle abgelehnt.

Trotz dieser Rückschläge brachten Politiker*innen “Aerosole” im März 2021 in die Covid-Verordnung und in der Folge gelang es engagierten Bürger*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen 2022 in einem Workshop mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Paradigmenwechsel zu vollziehen:

  1. Die wissenschaftliche Bestätigung: Eine vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) beauftragte Literaturrecherche bestätigte im August 2021 die Wichtigkeit von Aerosolen bei der Übertragung und die Bedeutung der Raumluftqualität.
  2. Der große Wandel: Im Mai 2022 erfolgte der lang ersehnte Paradigmenwechsel beim BAG: Es wurde offiziell anerkannt, dass Infektionen wie COVID und Grippe über die Luft übertragen werden und eine gesunde Durchlüftung Infektionsrisiken signifikant senkt.
  3. Konkrete Hilfe: Das BAG veröffentlichte Faktenblätter, die den Einsatz von Luftmessgeräten (CO2-Monitoren) und Luftreinigern empfahlen, und stellte klar, dass gute Durchlüftung Infektionsrisiken signifikant senkt.

Der größte Fortschritt auf nationaler Ebene war die Aufnahme von Maßnahmen gegen luftübertragene Erreger (Lüften und Luftmessgeräte) in den neuen Nationalen Pandemieplan im Juli 2025.

Doch trotz dieser Erfolge bleibt die Umsetzung schwierig. Viele in der Bevölkerung verstehen nicht, wie sich Viren übertragen, und bestehende Gesetze, wie das Arbeitsgesetz, das bereits Raumluftstandards vorschreibt, werden oft einfach ignoriert. Es fehlt der Wunsch nach gesunder Raumluft und das Verständnis dafür.

Vom lokalen Kampf zur globalen Bewegung

Um dem Problem der mangelnden Umsetzung entgegenzuwirken, muss der Druck von außen kommen. Die Bewegung für gesunde Raumluft arbeitet über die Grenzen hinweg, koordiniert unter anderem vom Geneva Health Forum.

Zwei europäische Konferenzen spielten eine Schlüsselrolle:

  • Bern (September 2023): Die erste WHO Europa Raumluft Konferenz brachte Regierungsvertreter*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen zusammen. Der gemeinsame Konsens: Der erste und wichtigste Schritt zur Verbesserung der Luft ist das kontinuierliche Raumluftmonitoring. Man muss wissen, wo das Problem liegt, um es zu beheben.
  • Paris (Juni 2025): Die zweite Konferenz fokussierte auf unsere Schulen. Dr. Hans Kluge von der WHO Europa betonte dort das Recht auf gesunde Luft, was die Raumluftqualität in Schulen miteinschließt. Zudem wurde klargestellt: Ungesunde Luft verursacht massive Kosten durch Krankheitstage und es ist daher eine rentable Investition, wenn man sie verbessert.

Das große Ziel: Die WHO-Resolution

Das Ziel der internationalen Partner, zu denen neben dem SVWL auch die DAGL und die Initiative Gesundes Österreich (kurz: IGÖ) gehört, ist ein ambitioniertes, mehrjähriges Projekt: das Erreichen einer WHO Resolution für gesunde Raumluftqualität.

Diese Resolution soll das Thema auf die Tagesordnung der Weltgesundheitsversammlung (WHA) bringen, dem höchsten Entscheidungsgremium der WHO, und es so als Problem der öffentlichen Gesundheit anerkennen, gleichrangig mit Trinkwasser und Lebensmittelhygiene.

Eine WHO Resolution ist zwar eine starke Empfehlung, liefert aber den entscheidenden Hebel. Sie würde einen direkten Auftrag an die Gesundheitsminister der über 190 Mitgliedstaaten geben, Maßnahmen zu ergreifen. Dies wiederum ermöglicht es lokalen Akteuren wie der DAGL, den Druck zu erhöhen und die Umsetzung in nationalen Gesetzen voranzutreiben.

Wie wir es schaffen: Framing und Beharrlichkeit

Die engagierten Aktivisten wissen, dass sie einen Marathon laufen, nicht einen Sprint. Um die Gesellschaft zu überzeugen, muss das Thema erstrebenswert geframt werden, ähnlich wie einst das Rauchverbot in Innenräumen.

Dafür wird man über Viren hinaus argumentieren – denn längst ist klar, dass auch andere Aspekte der Raumluft im Interesse der öffentlichen Gesundheit sind:

  • Kognitive Leistung: Schlechte Luft (über 1000 ppm CO2) beeinträchtigt unsere Denkfähigkeit – das trifft vor allem auf schlecht belüftete Schulen und Arbeitsplätze zu.
  • Allergien und Abgase: Eltern haben oft mehr Angst vor Pollen, Duftstoffen oder Abgasen. Luftfilter können helfen, diese schädlichen Partikel zu entfernen und die Luft in Schulen zu verbessern, was der Gesundheit aber auch der Leistungsfähigkeit der Kinder zugutekommt.
  • Wirtschaftliche Vorteile: Wenn Arbeitgeber den wirtschaftlichen Nutzen sauberer Luft (sinkende Krankenstände) erkennen, werden sie handeln.

Die wichtigste Erkenntnis bleibt: Es wird keinen einzelnen“Gamechanger“ geben. Kostenas unterstrich die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit den Worten:

Die Raumluftqualität ist ein Problem der Öffentlichen Gesundheit und muss als das anerkannt werden. Darum braucht es eine WHO Resolution für gesunde Raumluftqualität.

Nur die kontinuierliche Zusammenarbeit, die Ausstattung öffentlicher Gebäude und Schulen mit einfachen, günstigen CO2-Messgeräten und Lüftungstechnik sowie die Beharrlichkeit interessierter Bürger*innen und von Organisationen wie der DAGL, IGÖ oder dem SVWL, das Thema immer wieder anzusprechen (der „Stete Tropfen“), wird das Ziel erreichbar machen: saubere Luft für alle!

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