Indoor CO2-Map: Wissen Sie, was Sie einatmen?

Eine neue App enthüllt die Wahrheit über Luftqualität in Supermärkten, Arztpraxen und Co.!

Die Luft, die wir in Geschäften, Arztpraxen oder öffentlichen Verkehrsmitteln atmen, ist oft schlechter, als wir denken. Die Open-Source-Initiative „Indoor CO2-Map“ sammelt Daten zur Luftqualität in Innenräumen und liefert beunruhigende Erkenntnisse, die weitreichende Folgen für unsere Gesundheit haben.

Das Projekt, entwickelt von Aurel Wünsch, wurde kürzlich bei einer internationalen Expertentagung in Italien vorgestellt. Nun hatte die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Lufthygiene (DAGL) am 18. Juni 2025 im Rahmen eines Online-Vortrags Gelegenheit den Entwickler und seine App kennenzulernen. Kurz zusammengefasst geht es vor allem darum, ein umfassendes Bild der Luftqualität in Gebäuden zu zeichnen. Dr. Jörg Danzer, Zweiter Vorsitzender der DAGL führte aus:

„Die wissenschaftliche Lage ist klar: Die Innenraumluftqualität, wie sie derzeit in fast allen Ländern der Welt ist, ist nicht gut.“

Die Indoor CO2-Map: Wie funktioniert’s?

Alle, die einen mobilen CO2-Sensor (wie Aranet4, Airvalent, AirSpot oder Inkbird IAM-T1) besitzen, können die kostenlose App nutzen, um CO2-Werte in Supermärkten, Arztpraxen, Restaurants oder anderen öffentlichen Gebäuden aufzuzeichnen und anonym auf die zentrale Webseite des Projekts hochzuladen. Auch Aufzeichnungen im ÖPNV und Fernverkehr sind möglich. Die Daten werden dann auf einer interaktiven Karte dargestellt, die bereits über 12.000 Aufzeichnungen umfasst und frei zugänglich ist. Das gesamte Projekt – von der App über die Webseite bis zu den gesammelten Daten – ist Open Source und kostenlos verfügbar. Ein Nutzer-Account ist nicht notwendig, die App benötigt lediglich GPS- und Bluetooth-Berechtigungen.

Aurel Wünsch im Rahmen des DAGL Online-Vortrags über die Indoor CO2-Map

Warum sagt eine CO2 Messung etwas über die Luftqualität aus?

Luft in Innenräumen kann nur durch Fensterlüftung oder technische Lüftungsanlagen mit Frischluft gewechselt werden. Ein wesentlicher Indikator dafür, ob die Luft in einem Raum “verbraucht” ist, ist das bei der Atmung entstehende Gas CO2 (“Kohlenstoffdioxid”). Wenn sich Menschen in einem Raum aufhalten, der nicht mit Frischluft belüftet wird, dann steigt die Menge an CO2 in der Luft in diesem Raum an. Je nach Größe des Raums und der Anzahl von Personen kann dies sogar sehr schnell passieren. Frischluft hat eine CO2-Konzentration von etwa 420 ppm (“parts per million”). Wenn in Innenräumen durch fehlende Lüftung dieser Wert auf über 1000 ppm steigt, dann enthält die Luft bereits viele ausgeatmete Schwebstoffe, sogenannte Aerosole. Diese können u.a. mit Krankheitserregern (Viren oder Bakterien) beladen sein, wodurch sich die im Raum befindlichen Personen untereinander anstecken könnten, ohne dass sie sich dazu besonders nahe kommen müssen. Zudem wirkt sich dieser erhöhte CO2-Anteil in der Atemluft bereits negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Spätestens ab einem CO2-Wert von 800 ppm ist daher zu lüften. Eine entsprechende Messung kann daher aufzeigen, wie gut oder schlecht die Lüftung und damit die Luftqualität in diesem Raum ist. Neben CO2-Werten gibt es auch noch weitere Indikatoren, die bei der Bewertung der Luftqualität helfen – unter anderem der PM2.5-Wert, welcher eine Aussage über vorhandenen Feinstaub in der Luft liefert.

Alarmierende Erkenntnisse und überraschende Vergleiche

Die bisherigen Auswertungen zeigen deutliche Unterschiede in der Luftqualität verschiedener Gebäudetypen:

  • Arztpraxen als Sorgenkinder: Hier ist die Luft am schlechtesten, was besonders besorgniserregend ist, da kranke Menschen aufeinandertreffen und durch schlechte Belüftung das Infektionsrisiko steigt. Mit bisher über 100 gemessenen Arztpraxen könnte die Realität sogar noch schlimmer aussehen, da vermutlich derzeit eher für das Thema sensibilisierte Personen mit Sensoren messen.
  • Baumärkte, Fast-Food-Läden und Schuhgeschäfte schneiden gut ab: Baumärkte profitieren oft von großem Volumen und geringer Dämmung. Fast-Food-Läden und Schuhgeschäfte schneiden ebenfalls gut ab, oft aufgrund bewusster Belüftung, um unangenehme Gerüche zu vermeiden. Aurel Wünsch merkte an, dass in Schuhgeschäften der Infektionsschutz „aus Versehen durch Kapitalismus“ geschehe, da hier primär gelüftet werde, um unangenehme Gerüche zu vermeiden und Kunden nicht zu vertreiben. Museen und Bibliotheken zeigen ebenfalls gute Luftqualität – primär um Kunstwerke und Bücher zu schützen.
  • Supermärkte in Deutschland hinken hinterher: Während nur ein halbes Prozent der Supermärkte im Ausland über 1600 ppm CO2 aufweisen, liegt dieser Wert in Deutschland bei sieben Prozent. Sogar drei Prozent der deutschen Supermärkte erreichen Werte über 2000 ppm. Supermärkte in Einkaufszentren schneiden in der Regel besser ab, oft aufgrund gemeinsamer Lüftungsanlagen.
  • Lüftungsanlagen sind der Schlüssel: Oft ist die schlechte Luft nicht auf bauliche Mängel, sondern auf ausgeschaltete oder falsch eingestellte Lüftungsanlagen zurückzuführen. Eine Änderung der Betriebseinstellung könnte hier ohne teure Umbauten viel bewirken.
  • Öffentliche Verkehrsmittel schneiden sehr unterschiedlich ab: In U-Bahnen und S-Bahnen ist die Luft oft besser als in Fernverkehrszügen, vermutlich weil die Türen häufiger geöffnet werden und so ein Luftaustausch stattfindet. Busse und Straßenbahnen schneiden ebenfalls besser ab als Züge.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass es sowohl gute als auch schlechte Beispiele in jedem Gebäudetyp gibt, was die technische Machbarkeit guter Luftqualität unterstreicht und darauf hindeutet, dass die Kosten dafür nicht prohibitiv hoch sein müssen.

Das große Ziel: Bewusstsein schaffen und handeln

Mit seinem Projekt möchte Aurel Wünsch nicht nur den aktuellen Zustand der Luftqualität erfassen, sondern auch ein breiteres Bewusstsein für die Bedeutung guter Belüftung zur Reduzierung von Infektionsrisiken schaffen. Es soll Einzelpersonen ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen und Forschungsgruppen sowie politische Entscheidungsträger mit einer fundierten Datengrundlage zu versorgen.

Aurel Wünsch betonte die Wichtigkeit gesetzlicher Vorschriften:

„Damit das wirklich systematisch passiert, braucht man diese gesetzlichen Vorschriften. Es ist ein Marathon, kein Sprint“.

Die DAGL unterstützt diese Langzeitvision, um durch kontinuierliche Aufklärung und Datenbereitstellung Veränderungen herbeizuführen.

Mitmachen und mehr erfahren 

Die „Indoor CO2-Map“ ist ein Gemeinschaftsprojekt, das von der Beteiligung der Öffentlichkeit lebt. Jede Messung hilft, das Bild der Luftqualität in unseren Innenräumen zu vervollständigen und den Druck auf Verbesserungen zu erhöhen.

Die Daten der „Indoor CO2-Map“ sind auf der Webseite indoorco2map.com verfügbar, wo auch die App und weitere Informationen zum Projekt zu finden sind.

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