Offener Brief: Anfrage zur Weiterverwendung und eventueller Übernahme ausgemusterter HEPA-Luftfilter in Münsteraner Schulen
30. August 2024
Sehr geehrte Ratsfrauen und Ratsherren im Rat der Stadt Münster,
wir von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Lufthygiene e.V. haben von den Plänen der Stadtverwaltung Münster zur Abschaffung der im Zuge der SARS-CoV-2 Pandemie beschafften mobilen HEPA-Luftfilter aus den städtischen Schulen erfahren und möchten Sie hiermit bitten, diese Entscheidung aus mehreren Gründen zu überdenken.
Unser Anliegen ist es, über gesunde Raumluft in Innenräumen aufzuklären und ein Bewusstsein für die Relevanz guter Lufthygiene zu etablieren.
Die Stadt Münster fiel durch die Nutzung von Luftfiltern in ihren Schulen sehr positiv auf, da nach aktuellem Stand der Wissenschaft klar ist, dass Maßnahmen zur Luftreinigung viele positive, messbare Effekte auf Leistungsfähigkeit und Gesundheit von Schüler*innen und Lehrkräften haben. Als Anlage finden Sie dazu auch eine Auswahl aktueller Studien, die die nötige Evidenz für unsere Punkte liefern.
Feinstaub, Schimmelsporen, Infekterreger, Pollen und Hausstaub sind nur einige Pathogene, die unsere Atemluft belasten können. Gegen alle diese Schadstoffe helfen HEPA-Luftfilter sehr effektiv. Zusätzlich zu CO₂-Messung und entsprechender Lüftung ist Luftfilterung eine wichtige Säule für saubere Luft.
Sie erkennen hoffentlich, dass Sie Kindern, Jugendlichen und Personal durch die flächendeckende Bereitstellung der Luftfilter die zusätzliche Sicherheit bieten, die sie verdienen. Wieso sollten Sie die Situation durch den Rückbau der angeschafften Geräte verschlechtern wollen? Krankheitsbedingter Unterrichtsausfall oder auch Fehlzeiten von Schüler*innen infolge von Krankheit sind unter anderem eine Folge unzureichender Lufthygiene in Schulen. Zudem schlägt sich schlechte Luft auch im bundesweit zu beobachtenden Betreuungsnotstand nieder.
Dazu kommt, dass sich die Entsorgungskosten für die Geräte nach unserem Kenntnisstand gemäß aktueller Marktpreise auf knapp 75.000 € belaufen würden – ein hoher Preis für einen dermaßen großen Verlust und auch doppelter Schaden für Münster.
Wir verstehen, dass Eltern hier zu recht empört sind.
Wir hoffen, dass Sie im Rahmen Ihrer Beratungen im Stadtrat die aktuellen Erkenntnisse und die Notwendigkeit für saubere Luft in Klassenräumen adäquat berücksichtigen. Sollten Sie sich trotz allem gegen den Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und wirtschaftlicher Argumente für eine Entsorgung dieser hochwertigen Geräte entscheiden, wären wir sehr daran interessiert, diese Luftfilter sinnvoll weiterzuverwenden. In diesem Zusammenhang haben wir folgende Fragen und Anliegen:
- Spendenmöglichkeit der Luftfilter: Besteht die Möglichkeit, dass Sie unserem Verein die Luftfilter, oder zumindest eine gewisse Anzahl davon, auf Spendenbasis überlassen? Dies würde nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch Ressourcen sparen, die sonst für die Verschrottung aufgewendet würden.
- Typen und Arten der Luftfilter: Um welche Typen und Modelle handelt es sich genau bei den ausgemusterten Luftfiltern? Diese Information wäre für uns sehr hilfreich, um die weitere Nutzung und Verteilung planen zu können.
- Finanzielle Unterstützung: Wären Sie bereit, uns finanziell zu unterstützen, da Sie durch eine Spende an uns die Kosten für die Verschrottung (geschätzt ca. 75.000 Euro) einsparen könnten? Diese Mittel würden wir verwenden, um die Luftfilter zu lagern und an interessierte Einrichtungen (z.B. Kindertagesstätten) weiter zu verteilen.
- Vermittlung über unser Netzwerk: Als alternative Lösung könnten wir über unser Netzwerk Privatpersonen, Einrichtungen und Unternehmen vermitteln, die sich die Filter eigenverantwortlich bei Ihnen abholen würden.
Unser Ziel ist es, die Luftfilter an Orte zu bringen, wo sie weiterhin einen positiven Beitrag zur Lufthygiene leisten können. Ihre Unterstützung wäre ein wertvoller Beitrag zur nachhaltigen Nutzung dieser Ressourcen.
Wir hoffen natürlich, dass Sie im besten Fall realisieren, dass der Einsatz von HEPA-Luftfiltern eine enorme Chance für die Universitäts- und Wissenschaftsstadt Münster ist, ein Leuchtturm für gelebte Lufthygiene zu werden.
Sollten Sie weitere Informationen zum Thema saubere Luft wünschen, schauen Sie gerne auf unserer Onlinepräsenz dagl.de vorbei. Gerne stehen wir Ihnen mit unserer Expertise auch persönlich jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Jasmin Subklewe
Erste Vorsitzende
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Lufthygiene e.V. (DAGL)
Auswahl von Studien über die Vorteile von guter Lufthygiene, insbesondere den Einsatz von Luftfiltern:
Vartiainen, Ville A.; Hela, Johanna; Luoto, Anni et al. (2024): The effect of room air cleaners on infection control in day care centres, in: Indoor Environments, Vol. 1, Issue 1, 100007, https://doi.org/10.1016/j.indenv.2024.100007
Zwei Kitas in Helsinki wurden mit mobilen Luftreinigern ausgestattet, wobei in der Regel nur ein Gerät pro Raum zur Verfügung stand und die Geräte nicht auf der höchsten Stufe betrieben wurden. Ein halbes Jahr lang wurden sowohl die Atemwegserkrankungen der Kita-Kinder als auch die sich daraus ergebenden Tage, an denen Eltern aufgrund der Betreuung eines kranken Kindes nicht arbeiten konnten, statistisch erfasst. In Vergleich zu anderen Kitas in Helsinki war die Zahl der Atemwegserkrankungen in den Kitas mit Luftreinigern um ca. 30 % und die Zahl der Kinderkrankentage um ca. 32 % niedriger (3,77 statt 5,53 Tage im Beobachtungszeitraum). Die Ergebnisse zeigen, dass die Kosten für die Luftreiniger durch die geringeren Fehlzeiten der Eltern am Arbeitsplatz mehr als wettgemacht werden. Der routinemäßige Einsatz von Luftfiltern in Kitas würde sich deshalb nicht nur positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Familien auswirken, sondern auch einen wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Nutzen bringen.
Lidia Morawska et al. (2024): Lessons from the COVID-19 pandemic for ventilation and indoor air quality, in: Science Vol 385, Issue 6707, S. 396-401 https://doi.org/10.1126/science.adp2241
Die rasche weltweite Ausbreitung des schweren akuten respiratorischen Syndroms Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) zu Beginn des Jahres 2020 stellte die Welt vor ihre größte gesundheitliche Herausforderung seit Jahrzehnten. Es wurde schnell klar, dass die Regierungen nicht darauf vorbereitet waren, angemessen auf diese Krise zu reagieren. Nationale und internationale Gesundheitsbehörden waren über die Übertragungswege des Virus und die erforderlichen Kontrollmaßnahmen zum Schutz dagegen verwirrt. Insbesondere die Notwendigkeit, das Infektionsrisiko durch ausreichende und effektive Kontrolle von Innenraumluft zu verringern, wurde wenig beachtet. In diesem Bericht diskutieren wir Erkenntnisse und wichtige Lehren aus der COVID-19-Pandemie hinsichtlich der Rolle der Luftreinhaltung als wirksames Mittel gegen die Übertragung von Krankheitserregern durch die Luft und allgemein zur Unterstützung einer guten Innenraumluftqualität.
Curtius, Joachim; Granzin, Manuel; Schrod, Jann (2021): Testing mobile air purifiers in a school classroom. Reducing the airborne transmission risk for SARS-CoV-2, in: Aerosol science and technology, Vol. 55, Issue 5, S. 586-599, https://doi.org/10.1080/02786826.2021.1877257
In einem Klassenzimmer eines Gymnasiums in Wiesbaden wurde die Effizienz und Praktikabilität von mobilen Luftreinigern mit HEPA-Filtern zur Verhinderung von Covid-Infektionen getestet. Verwendet wurden 3 bis 4 haushaltsübliche Geräte (Philips 2887/10). Über den Zeitraum von einer Woche hinweg wurde der Aerosolgehalt im so ausgestatteten Klassenzimmer gemessen und mit einem zweiten Klassenzimmer verglichen, in dem keine Luftreiniger betrieben wurden. Durch die Luftreiniger wurde die Aerosolbelastung in den Phasen zwischen dem Lüften über die Fenster stark reduziert. Berechnungen ergeben, dass auch die von einer infektiösen Person beim Atmen und Sprechen abgegebenen virushaltigen Aerosolpartikel in der Raumluft signifikant reduziert werden würden. In dem Klassenzimmer ohne Luftreiniger wäre die Konzentration von virushaltigen Aerosolpartikeln schon nach zwei Stunden mehr als 10-mal so hoch als in dem Klassenzimmer mit Luftreinigern. Neben dem Infektionsrisiko verringert sich durch den Einsatz von Luftreinigern auch der Feinstaubgehalt der Luft, was das Risiko für verschiedene Krankheiten verringert. Die Beeinträchtigung durch die Geräusche und Luftströme der Geräte wird als gering eingeschätzt.
Christine James et al. (2019): HEPA filtration improves asthma control in children exposed to traffic-related airborne particles, in: Indoor Air https://doi.org/10.1111/ina.12625
Verkehrsbedingte luftgetragene Partikel stehen im Zusammenhang mit asthmatischen Erkrankungen. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen einer hocheffizienten Partikelluftfiltration (HEPA) auf die Konzentrationen von Verkehrspartikeln und die daraus resultierenden Effekte auf Kinder mit Asthma zu bewerten. Dreiundvierzig Kinder mit Asthma wurden in dieses doppelblinde, placebokontrollierte Crossover-Design eingeschlossen. Ein HEPA-Luftreiniger oder ein Placebo-„Dummy“ wurde für vier Wochen in den Häusern der Teilnehmer platziert, unterbrochen von einer einmonatigen Auswaschphase, bevor in den anderen Behandlungsarm für vier Wochen gewechselt wurde. Luftproben und Gesundheitsparameter, einschließlich Asthmakontrolle (ACQ) und Lebensqualitätsmaßnahmen (AQLQ), wurden vor und am Ende jedes Behandlungsarms durchgeführt. Die Innenraumkonzentrationen von Verkehrspartikeln wurden mit der HEPA-Behandlung signifikant reduziert, jedoch nicht mit der „Dummy“-Behandlung. Bei Teilnehmern mit schlecht kontrolliertem Asthma und niedrigerer Lebensqualität zu Beginn verbesserten sich die ACQ- und AQLQ-Werte nach der HEPA-Behandlung signifikant (1,3 auf 0,9, P = .003 bzw. 4,9 auf 5,5, P = .02). In dieser Studie ist die HEPA-Filtration mit verbesserten klinischen Ergebnissen und einer höheren Lebensqualität bei Kindern mit Asthma verbunden.
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