Luftübertragung von Infektionskrankheiten

In den vergangenen Jahren gab es durch die Corona-Pandemie einen deutlichen Erkenntnisgewinn, was die Übertragungswege von Infektionskrankheiten über die Luft angeht. Dieses Wissen ist nun in die Online App „ARIA“ von WHO und CERN eingeflossen. Für die breite Öffentlichkeit lässt sich damit einfach erkennen wie hoch Infektionsrisiken in Innenräumen (wie z.B. Schulen) tatsächlich sind. Und dass mit einfachen sowie kostengünstigen Maßnahmen wie zum Beispiel regelmäßiges Lüften und HEPA Luftfilter bereits eine deutliche Risikoreduktion erreicht werden kann.

Luft als wichtiger Übertragungsweg vieler Infektionskrankheiten

Bereits kurz nach dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 wurde von verschiedenen Expert*innen weltweit darauf hingewiesen1 2 3 4, dass bei der Übertragung der Coronaviren (SARS-CoV-2) von Mensch zu Mensch die Luft eine wesentliche Rolle spielt. Die Rede war von Aerosolen – also unsichtbaren Wolken kleinster Partikel im Mikrometerbereich, die infizierte Personen beim Atmen in die Luft abgeben und in denen sich krankheitserregende Viren über einen längeren Zeitraum und über eine größere Entfernung verbreiten können. Werden diese Partikel von anderen Personen eingeatmet, besteht für diese ein hohes Ansteckungsrisiko. Als besonders problematisch stellten sich in diesem Zusammenhang schlecht belüftete Innenräume heraus, in denen sich Menschen über einen längeren Zeitraum gemeinsam aufhalten. 

Mit dem Fortschreiten der Pandemie hat sich auch das Wissen über diesen so wichtigen Übertragungsweg stetig erweitert. Die Tatsache, dass ein wesentlicher Übertragungsweg von SARS-CoV-2 über Aerosole in der Atemluft besteht, ist heutzutage durch unzählige wissenschaftliche Studien belegt und anerkannt5 6. Auch bei anderen Krankheitserregern (z.B. Influenza oder Masern) wird die Übertragung durch die Luft mittlerweile als wesentlich angesehen. 

Dabei darf der Übertragungsweg durch Aerosole nicht mit der allgemein bekannten “Tröpfchen-Infektion” verwechselt werden. So erfolgt die Übertragung eines Erregers über Tröpfchen in der Regel in unmittelbarer Nähe zwischen infizierten und angesteckten Personen. Denn Tröpfchen sind so groß, dass sie nicht von der Luft getragen werden können. Sie können lediglich nach dem Freisetzen (z.B. beim Husten, Niesen oder Sprechen) im Flug eine gewisse Distanz im Nahbereich (1,5 – 3 m) überwinden, fallen aber aufgrund der Schwerkraft nach unten. Die in diesen herabfallenden Tropfen gebundenen Krankheitserreger können dann auf Oberflächen noch eine gewisse Zeit überstehen und stellen dadurch ein potentielles Risiko für eine Kontaktinfektion dar. Im Unterschied dazu bleiben die etwa 5 Mikrometer großen Partikel einer Aerosolwolke sehr viel länger in der Luft. Denn genauso wie Wolken in der Atmosphäre, schweben diese feinen Partikel von der Luft getragen im Raum. Durch Luftbewegungen infolge von Temperaturunterschieden oder anderen freien bzw. erzwungenen Strömungen werden diese unsichtbaren Wolken deutlich weiter durch den Raum getragen, als es große Tröpfchen können.

Mögliche Übertragungswege für luftgetragene Infektionen (Quelle: WHO)

In einem schlecht belüfteten Raum stehen diese mit Krankheitserregern beladenen Aerosole so teilweise über mehrere Stunden in der Luft und stellen damit ein Infektionsrisiko dar. Dieses Risiko erhöht sich zudem, je länger sich eine infizierte Person in diesem Raum aufhält. Denn alle Menschen geben bei jedem Atemzug unbemerkt unsichtbare Aerosolwolken ab, wodurch sich die Menge an mit Virus beladener Luft stetig erhöht. Auch aus der Alltagserfahrung kennen wir es, wenn wir im Winter in kälterer Außenluft ausatmen – die mit der Atemluft ausgeschiedene Feuchtigkeit (kleinste Wasserpartikel) kondensiert und wird in Form kleiner Wölkchen vor unseren Gesichtern sichtbar. Bei höheren Temperaturen sind die Wolken der Atemluft dann nicht mehr zu sehen, aber sie sind weiterhin vorhanden.

Frau atmet in kalter Luft aus – Symbolbild (KI generiert)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass einige Krankheitserreger wie Sars-CoV-2, Influenza oder Masern mit der Atemluft ausgeatmet werden und sich dann in Form von Aerosolwolken auch über längere Zeit und größere Distanzen verbreiten können. Eine höhere Aufenthaltsdauer sowie eine schlechte Belüftung vergrößern die Infektionsrisiken für alle Personen, die sich gemeinsam mit infizierten Personen in einem Raum aufhalten oder diesen Raum zu einem späteren Zeitpunkt betreten, nachdem infizierte Personen den Raum bereits wieder verlassen haben.

Risiken und Risikoreduktion am Beispiel Schulklasse

Doch wie hoch sind nun damit einhergehende Infektionsrisiken? Und mit welchen Maßnahmen kann man diese Risiken reduzieren? Dazu hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das europäische Kernforschungszentrum in Genf (CERN) ein Simulationswerkzeug veröffentlicht, mit dessen Hilfe sich die Infektionsrisiken bei Veranstaltungen im Innenraum am Beispiel von SARS-CoV-2 unter diversen Randbedingungen berechnen lassen. Die Applikation ARIA (Airborne Risk Indoor Assessment tool) steht kostenlos und online der Öffentlichkeit zur Verfügung: https://partnersplatform.who.int/tools/aria/calculator

Referenz

World Health Organization. (‎2024)‎. Indoor airborne risk assessment in the context of SARS-CoV-2: description of airborne transmission mechanism and method to develop a new standardized model for risk assessment. World Health Organization. https://iris.who.int/handle/10665/376346. Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 IGO

Zur weiteren Veranschaulichung soll nun eine Schulklasse betrachtet werden. Dazu wurden die folgende Annahmen in der Applikation getroffen:

Es wird ein typischer Klassenraum mit einer Grundfläche von 60m² und einer Deckenhöhe von 2,40m angenommen. Es gibt mehrere Fenster an einer Seite des Klassenraums. Betrachtet wird ein Zeitraum von sechs Schulstunden mit zwei Pausen von je 15 Minuten an frischer Luft. In der Klasse befinden sich 24 Personen. Weiterhin wird angenommen, dass sich eine infizierte Person im Raum befindet. Für folgende Szenarien wurden dann die Infektionsrisiken der gesunden Personen berechnet. Im ersten Szenario werden keine Maßnahmen zur Infektionsvermeidung durchgeführt. In den weiteren Szenarien werden dann die jeweiligen Effekte durch Fensterlüftung, technische Maßnahmen sowie die Verwendung medizinischer Infektionsschutz-Masken identifiziert. Im letzten Szenario wurde dann abgeschätzt, wie sich die Kombination aus einer Lüftung auf Basis von CO2-Messung und dem Einsatz von HEPA-Filtern auswirken würde.

Ergebnisse für Abstände >2 m um die infizierte Person unter Berücksichtigung verschiedener Schutzmaßnahmen

Ergebnisse für Abstände <2 m um die infizierte Person
unter Berücksichtigung verschiedener Schutzmaßnahmen

Aus der Analyse lassen sich nun folgende Erkenntnisse gewinnen:

  1. Das Infektionsrisiko auf Distanzen von mehr als 2 Metern von einer infizierten und ansteckenden Person im Raum ist mit rund 7,5% schon relativ hoch. Statistisch betrachtet können sich so an einem Schultag 1-2 weitere Personen unter diesen Bedingungen anstecken.
  2. Einmalige Fensterlüftung alleine senkt dieses Risiko um etwa 25%.
  3. Erst durch regelmäßige Fensterlüftung mehrmals pro Stunde sowie den Einsatz von HEPA-Luftfiltern kann das Risiko deutlich um etwa 66% reduziert werden.
  4. Im Nahbereich (ca. 2 m) um die infizierte Person herum bleibt das Risiko einer Infektion allerdings trotz dieser Interventionen deutlich erhöht. In diesem Nahbereich sinkt die Ansteckungswahrscheinlichkeit nur um etwa 20%, unter Berücksichtigung einer konsequenten Fensterlüftung und des Einsatzes von HEPA-Luftfiltern.
  5. Medizinische Infektionsschutzmasken oder auch FFP2-Masken können das Risiko in dieser Konstellation noch weiter minimieren. 

Die Ergebnisse legen nahe, dass durch den breiten Einsatz von moderner Lüftungstechnik bzw. da wo es baulich nicht machbar ist, der Nutzung mobiler HEPA-Filter in Kombination mit Frischluftzufuhr gemäß CO2-Messwert eine deutliche Verbesserung der Luftqualität erreicht werden kann. Dadurch sinken die Infektionsrisiken in diesem Setting deutlich ab. In dem betrachteten Rechenbeispiel wurde mit Hilfe des CO2-Rechners des Fraunhofer Instituts für Holzforschung7 der Zeitraum ermittelt, nach dem in dem betrachteten Klassenraum ein CO2-Gehalt von 1000 ppm erreicht wird (ca. 15 Minuten) und dann eine Fensterlüftung von mindestens 5 Minuten angesetzt. Diese Vorgehensweise erfordert viel Disziplin und ist in vielen Schulen wahrscheinlich dauerhaft nicht umsetzbar. Darum ist der Einsatz von HEPA-Luftfiltern als zusätzliche Maßnahme gerade in Schulen ohne Lüftungsanlage mit Blick auf den Infektionsschutz unbedingt empfehlenswert. Gerade in Klassenräumen, in denen sich täglich über einen längeren Zeitraum viele Personen aufhalten, kann so ein signifikanter Beitrag für die Gesundheit der Schüler*innen sowie Lehrkräfte geleistet werden.

  1. https://doi.org/10.1093/cid/ciaa939 ↩︎
  2. https://aaqr.org/articles/aaqr-20-05-covid-0202 ↩︎
  3. https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2009637117 ↩︎
  4. https://www.science.org/doi/10.1126/science.abf0521 ↩︎
  5. https://journals.aps.org/rmp/abstract/10.1103/RevModPhys.95.045001 ↩︎
  6. https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp2241 ↩︎
  7. https://www.iaqip.wki.fraunhofer.de/de/themen/co2-rechner.html ↩︎
1 Kommentar
  1. Dieter HEINRICH sagte:

    Hallo Herr Weber,
    weil Sie am speziellen Punkt HEPA-Luftfilter so hartnäckig festhalten, zB im Blick auf die Stadt Münster/W. – deshalb hier der Verweis auf den vergleichenden testbericht des Max-Planck-Institutes für Chemie in Mainz aus 10/2021:
    https://www.mpic.de/5043150/ventilator-fensterlueften-gegen-covid-19?c=3477744
    Der Praxistest unter Alltagsbedingungen läuft schon längst in Mainzer Schulen und auch anderswo.
    Für den Tröpfchenbereich braucht es bei Bedarf die Maskenpflicht.
    Bedarf ergibt sich (a) aus der Häufigkeit der Ventilatoraktivierung, und (b) aus dem Abwasser-Monitoring bei Gebäuden mit regelmäßig vielen Personen. Solange (b) positiv ist, braucht es Maskenpflicht, ansonsten reicht LuftAUSTAUSCH.

    Diese Umsetzung der Ergebnisse aus der Aerosolforschung, die Sie dankenswerter Weise unterstützen, haben eine fundamentale strategische Bedeutung – als Alternative zum KONTAKT-Management, wie wir es ab März 2020 erlebt haben.
    Bei Ausstattung aller -nichtprivat von Personen genutzten- Innenräume mit der kostengünstigen Automatischen LuftAUSTAUSCH-Technik lässt man zwar (potenzielle) Wirtskörper kommen, das ausgeatmete Virus aber nicht verweilen = keine Chancen für Viruslasten. Das gilt aber auch für alle zeitgleichen strömungsabhängigen Luftbelastungen im Raum. Damit besteht ein fortdauernder Gesundheitsschutz für Arbeitende und Raumnutzer (Verbraucher).
    Zugleich können alle die >Kollateralschäden< des KONTAKT-Managements vermieden werden – solange die Luftübertragung gilt. EIn entprechender Absatz im ergänzten IfSchG muss das ausformulieren – nicht nur für Sars-Covid-2.

    Also bleiben Sie dran.

    Mit freundlichem Gruß von einem Ex-Münsteraner.
    Dieter HEINRICH, Dipl.Päd. iR

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